Achtung Rosen
Rosen mag man. Rosen sind beliebt. Rosen sind in.

Rosen boomen und jede vernünftige Buchhandlung hat in ihrer Gartenabteilung mindestens drei Laufmeter Rosenbücher bereit gestellt. In Baumschulen und Gartencentern feiert sie ein überwältigendes Comeback. Experten schätzen, daß es weltweit mehr als 30.000 verschiedene Arten gibt, und jährlich kommen neue dazu.

Als vor 50 Jahren Eddy Constantin in seinem Schlager den Rat gab: „Schenk deiner Frau doch hin und wieder rote Rosen“, war das schön und liebevoll gemeint, aber gleichzeitig war Vorsicht angesagt.

Denn, Achtung! Verletzungsgefahr!

Nicht zugreifen, als ob es Nelken wären, denn Rosen haben Stacheln! Ja, richtig, keine Dornen. Botanisch korrekt gesehen wären Dornen umgewandelte Sprossen, die aus dem Holz entspringen. Stacheln hingegen sprießen aus der Rindenoberfläche, sind davon leicht zu entfernen und verletzen dabei die Rinde nicht. Mit Dornen wäre das nicht möglich, wie das bei Kakteen der Fall ist.

Ergo, Kakteen haben Dornen, Rosen Stacheln. Diese allerdings können sehr, sehr unterschiedlich sein. Manchmal weich, borstig und biegsam, dann wieder rund und nadelartig. Manche sind an der Basis stark verbreitert, dreieckig oder flügelförmig und andere wieder gekrümmt wie Hakennasen. Sie können rot sein oder rostbraun auf grünen Trieben oder grün und grau.

Daher, Achtung! Kleiderschaden!

Manche Rosen lieben es nicht, daß man ihnen zu nahe kommt, gebieten Abstand, ansonsten ist ein Riß in Rock oder Hose, die Strafe für den Ungehorsam unvermeidlich.

Es gibt allerdings auch stachellose Rosen mit glatter, seidiger Rinde, wie etwa bei der Sorte „Chloris“, „Cornelia“, „Mme. Alfred Carriere“ oder „Zephirine Drouhin“.

Jawohl, Rosen tragen Namen. Romantische, poetische, Namen berühmter Frauen und Männer, Namen von glorreichen Königinnen und Königen, Künstlern, Politikern, Helden. Dadurch sind sie unverwechselbar.

Da sie den Ehrentitel „Königin der Blumen“ trägt, hat sie, wie alle Königinnen, häufig auch eine Ahnentafel, eine eigene Geschichte, einen „Stammbaum“. Oft werden die Eltern stolz genannt, sind preisgekrönt, vielfach ausgezeichnet, zeigen stolz ihre Goldmedaillen, manchmal jedoch liegt die Herkunft geschichtlich so weit zurück, daß die Abstammung im Dunklen bleibt. Meistens haben Wind und Insekten die Kreuzungen der verschiedenen alten Sorten bewirkt, so, wie auch spontane Mutationen oder Zufallssämlinge neue Rosensprösslinge hervorbrachten. Eine Nachzucht wäre also heutzutage nicht mehr möglich.

Daher, Achtung! Botanischer Kulturschatz!

Stirbt eine alte oder historische Sorte aus, ist sie unwiederbringlich verloren. Somit kann das Rosenpflanzen nicht nur als gärtnerische Tätigkeit, sondern auch als wichtiger, kultureller Auftrag gesehen werden.

Aber, Achtung!

Das kann leicht zur Leidenschaft oder Sucht ausarten, denn je tiefer man in das Wissen über Rosen eintaucht, um so größer wird die Faszination und der Wunsch nach einer eigenen Rosensammlung im Garten lässt sich nur mehr schwer unterdrücken.

So begann 1804 Kaiserin Joséphine de Beauharnais, Napoléons Gemahlin, Rosen aus aller Welt zu sammeln. Im Garten ihres Schlosses Malmaison bestand die bedeutendste und größte Rosensammlung ihrer Zeit aus 250 Arten. Nicht nur die Gärtner, auch Napoléons Armeeführer waren verpflichtet, alle bekannten Sorten zusammenzutragen und der berühmte Rosenmaler PierreJoseph Redouté verewigte sie in seinem grandiosen Werk „Les Roses“. Heute noch kann man die Rosen in Malmaison bestaunen und gibt es eine schönere Art Spuren auf der Erde zu hinterlassen als die eines Rosengartens?

Botanisch stammt die Rose aus der großen Familie der Rosengewächse (Rosaceen), zu der auch Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche, Brombeeren, Frauenmantel, Fingerhut, Erdbeeren und noch viele andere Zierpflanzen gehören.

Sie selbst jedoch ist eine Verwandlungskünstlerin ersten Ranges und schon zu uralten Zeiten erlag der Mensch ihrem Zauber. Es ist kaum zu glauben, aber bereits vor 40 Millionen Jahren, fossile Funde von Blüten, Blättern, Stengeln und Stacheln beweisen es, öffnete sie ihre anmutigen, fünfstrahligen Blüten, allerdings nur auf der nördlichen Erdhalbkugel. Südlich des Äquators wurden sämtliche Rosen von Menschen eingeführt und keine einzige hatte dort ihre ursprüngliche Heimat.

Die Reize dieser stachelbewehrten Pflanzenschönheiten begeisterten Menschen zu allen Zeiten. Bereits vor 5.000 Jahren begann ihr Werdegang zu einer der bedeutendsten Gartenpflanze und im Römischen Reich wurde sie bei Festen und anderen feierlichen Anlässen in maßloser Fülle verschwendet, der Boden der Festsäle oft kniehoch mit Rosenblüten bedeckt, Liebeslager rein aus duftenden Blütenblättern errichtet. Rosenkränze galten auch als Zeichen von Tapferkeit und Ehre und so schmückten die Römer, wie zuvor auch schon die Griechen, ihre siegreich heimkehrenden Soldaten damit. Der Rosenanbau verdrängte zu dieser Zeit im südlichen Italien sogar die Kultur von Oliven und Getreide, so daß diese, gemeinsam mit weiteren Rosenschiffsladungen aus Ägypten eingeführt werden mussten.

Rose, Blume der Liebe, den Liebesgöttinnen Aphrodite und Venus geweiht, von den Christen zum Attribut der Jungfrau Maria gewählt, wahrscheinlich in Zentralasien geboren, hat sie dann China, Japan, Indien, Europa, den Mittelmeerraum und Nordamerika erobert. Übrigens, im Persischen gibt es nur ein Wort für Blume und Rose.

Eine Fülle von Erzählungen, Legenden und Mythen finden sich bei den verschiedensten Völkern. Eine römische Sage erzählt uns, wie die Rose entstand. Amor, der Liebesgott, verliebte sich in Flora, die Göttin der Blumen. Diese allerdings, wollte von ihm nichts wissen und widersetzte sich stets seinen Annäherungen. Das verärgerte Amor so sehr, dass er sich rächte. Als er Flora einmal schlafend fand, schoss er ihr heimlich einen Liebespfeil ins Herz und machte sich auf und davon. Die erwachte Göttin jedoch entbrannte in sehnsüchtiger Liebe zu Amor, er aber entzog sich ihr für immer. In ihrem Liebesschmerz schuf Flora eine Blume in der Farbe der Sehnsucht, ein blasses Rot, mit einem Stängel, der biegsam war, wie der Bogen Amors, fügte frische, grüne Blätter hinzu, als Symbol der Hoffnung, dass der Geliebte doch eines Tages wiederkehrt. Aber als Zeichen für ihr gebrochenes Herz, gab sie der Blume Stacheln. So hatte sie die Rose erschaffen, Sinnbild für Liebe, Sehnsucht, Hoffnung und Schmerz.

In vielen Märchen und romantischen Geschichten spiegelt sich die allgemeine Bewunderung für die Rose, ebenso spielt sie in Liedern und Gedichten immer wieder eine ganz besondere Rolle. Was wäre die Lyrik ohne Rose?

Aber auch Maler und Bildhauer aller Zeitepochen und die Architektur des christlichen Kirchenbaus waren von der Reinheit und Eleganz der Rose inspiriert. So ist sie Vorlage für die unvergleichlichen Fensterrosetten romanischer und gotischer Kathedralen.

Nach einem Brauch aus heidnischen Zeiten überliefert, wurden in England im Mittelalter über Beichtstühle Rosen aufgehängt, „sub rosa“, als symbolische Bedeutung der Verschwiegenheit. Aus dem gleichen Grund übernahmen Rosenkreuzer und Freimaurer die Rose als Wahrzeichen, „sub rosa dictum“ was unter der Rose gesagt wird, muss geheim bleiben.

Geheimnisvoll war für die Rosenzüchter bis ins 19. Jahrhundert oft auch das Entstehen einer neuen Sorte. Kreuzungsversuche brachten nicht immer das gewünschte Ergebnis. Erst ab 1866, als der Botaniker Georg Mendel seine Vererbungslehre veröffentlichte, waren gezielte Züchtungen möglich. Durch bewusstes Einkreuzen war nun der triumphale Siegeszug der Rose nicht mehr aufzuhalten. Aufgrund der „modernen Züchtungen“ hat sie ihr Aussehen, ihre Eigenschaften, Stängel, Blätter, Stacheln, Farbe, Duft völlig verändert, den Modeströmungen angepasst. Die Blüte hochgebaut, Blütenblätter total regelmäßig um ein Zentrum, oft kein Duft, immerblühend, aber leider kapriziös und krankheitsanfällig. Im Vergleich zu alten Rosen, die absolut gesund, robust und frosthart sind, wurde jetzt Rosenspritzen gegen Krankheiten, Blattläuse und anderes Getier notwendig. Rosenschneiden avancierte zu einer Wissenschaft, die viele verwirrt.

Wen wundert es daher, dass in vielen Rosengärten wieder die alten Sorten gepflanzt werden? Es ist sicher nicht allein die „Nostalgiewelle“ die die historischen Schönheiten mit ihren dicken, stark gefüllten Blüten, ihrem betörenden Duft und ihrer zauberhaft romantischen Ausstrahlung zurückgebracht hat, sondern auch die Pflegeleichtigkeit, Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft dieser herrlichen Geschöpfe.

Und wie gesagt, vielleicht ist die schönste Lebensspur, die ein Mensch auf der Welt hinterlassen kann, ein Rosenstrauch.